Mit all den Analyse-Tools, die uns heutzutage zur Verfügung stehen, laufen Produktmanager Gefahr, sich in der quantitativen Seite des Kundenfeedbacks zu verlieren. Dadurch vergessen wir oft, wie wichtig es in unserem Designprozess ist, unsere Zahlen mit qualitativer Marktforschung – nämlich mit Kundeninterviews – zu ergänzen. Wir alle haben die Aufgabe, Software zur Lösung von Problemen zu erstellen. Mit dem Anwachsen der Teams wird unsere größte Herausforderung nicht aus dem technischen Bereich kommen (hier durchbrechen wir offensichtlich Barrieren, ohne einen Tropfen Schweiß zu vergießen). Unsere größte Herausforderung wird der Aufbau eines gemeinsamen Verständnisses unserer Kunden sein.
Sobald du diesen Schritt gemacht hast, ergibt sich der Rest von selbst. Du weißt, wie du deine Roadmap ausrichten musst und wo die Prioritäten liegen. Jedes erstellte Feature trifft ins Schwarze. Du behebst potenzielle Kundenprobleme, bevor die Kunden sie überhaupt bemerken. Deine Interaktion mit Produktbewertern ist von fundierter Kenntnis ihrer Anforderungen und einem tiefgreifenden Verständnis für ihre Probleme geprägt. Deine Website ist informativ und übersichtlich.
Kurz gesagt, du konzipierst und erstellst einfachere und bessere Produkte.
Ich habe zuvor schon über die vielen verschiedenen Methoden zur Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses geschrieben. (Wenn du dies noch nicht gelesen hast, solltest du das jetzt schnell machen. Na los, ich warte auf dich … OK, machen wir weiter.) Bevor du ein Dokument zu den Produktanforderungen verfasst, solltest du über diese anderen Techniken zur Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses nachdenken. Kundeninterviews sind eine dieser Techniken, die wir bei Atlassian nutzen.
Kundeninterviews können ein aufschlussreicher Teil des Produktdesignprozesses sein. Ich habe mehrfach erlebt, wie mir während dieser Interviews ein Licht aufging. Besonders ermutigend ist es, wenn du die Interviews mit anderen Teammitgliedern durchführst (aus Entwicklung, Marketing, Design usw.) und sie ebenfalls zum gleichen Schluss kommen.
Es gibt unzählige Ressourcen zum Führen von Interviews – zu Logistik, Methoden und Techniken – deshalb gehe ich hier nicht weiter darauf ein. Zur Weitervermittlung dieser Interviews an das gesamte Team und zur Umsetzung dieser Interviews in Aktionen habe ich dagegen nur sehr wenig gefunden. Wie können wir aus den Interviews Erkenntnisse ziehen, die Probleme zu Chancen werden lassen, und letztendlich dementsprechend handeln?
Die Pyramide für Kundeninterviews: ein Framework zur Weitervermittlung der Interviewergebnisse
In den letzten Jahren haben wir bei Atlassian ein einfaches Framework entwickelt, das uns dabei hilft: die Pyramide für Kundeninterviews. So sieht sie aus:
Die Idee dahinter ist einfach. Gehen wir die einzelnen Stufen der Pyramide durch und sehen uns den Zweck der jeweiligen Phase an. Machen wir dies am besten anhand eines Beispiels.
Gehen wir zurück ins Jahr 2002. Eine Welt vor Twitter und Facebook. (*erschrockenes Luftholen!*) Es gab noch keine "Gefällt mir"-Buttons. "Tweet" war im Englischen ausschließlich die Beschreibung für Vogelgezwitscher. Du arbeitest am nächsten großen Trend … Einem sozialen Netzwerk.
Kein simples Notieren von Beobachtungen
Die Versuchung ist groß, nach einem Kundeninterview die Stichpunkte, die du dir auf deinem Laptop notiert hast, einfach zu kopieren und mit deinem Team zu teilen. Fix und fertig, nicht wahr? Falsch. Niemand möchte sich eine derartige Liste durchlesen und sie wird auch nicht zu einem gemeinsamen Verständnis der Kundenprobleme und der daraus resultierenden Chancen führen. Wie machen wir es also anders? Ein paar kurze Tipps:
- Teile nie sofort nach dem Interview deine Notizen mit dem Team.
- Plane Zeit zur Analyse deiner Notizen ein – denke über deine Beobachtungen nach und ordne sie in Muster ein.
- Vergewissere dich, dass deine Problemaussage keine Feature-Anfrage ist, sondern die Intention des Kunden beschreibt. Denke über die von dir ermittelten Muster nach … was möchte der Benutzer erreichen? Dies ist das Problem, das du lösen musst.
- Ermittle die Chancen, die sich hinter dem Problem verbergen – wie könnt ihr das Problem lösen?
- Und zu guter Letzt lohnt es sich, gemeinsam mit deinem Team einen Prozess etablieren, wie die Erkenntnisse aus den Interviews am besten weitervermittelt werden.
Implementierung der Pyramide für Kundeninterviews in deinem Team
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten zur Implementierung dieses Frameworks. Zum Einstieg kannst du ein einfaches Dokument als Vorlage für diesen Prozess erstellen. Im Produktmanagementteam von Atlassian haben wir einfach eine Seitenvorlage in Confluence (unserer Plattform für Teamzusammenarbeit) erstellt, die uns bei der Befolgung des Prozesses hilft. Wir sammeln alle Kundeninterviews in einem einzigen Confluence-Bereich, damit wir unser gesamtes Wissen an einem zentralen Ort wiederfinden.
Die Homepage für unseren Kundeninterviewbereich sieht so aus:
Wir haben für die Seite eine dedizierte Suchfunktion eingerichtet, um ältere Interviews schnell zu finden. Außerdem verfügt die Seite über eine Liste beliebter Themen, damit die Produktmanager alle Interviews zu diesen Themen durchsehen können.
Was steht in der Vorlage für Kundeninterviews?
Die Struktur unserer Vorlage für Kundeninterviews ist einfach:
Hintergrund
- Wie ist es zu diesem Interview gekommen? Mit wem sprichst du? Hintergrundinformationen zur Rolle der Person, Verwendungsweise deines Produkts usw. Ziel ist, Kontextinformationen zum Gesprächspartner festzuhalten.
Über das Unternehmen
- In diesem Bereich sollen die Leser mehr Kontext zum Arbeitsumfeld des Gesprächspartners erhalten. Um was für ein Unternehmen handelt es sich?
Beobachtete Probleme
- Wir verwenden normalerweise ein Inhaltsverzeichnis, um alle im Interview beobachteten Probleme aufzulisten.
Für jedes Problem:
- Formulierung des Problems in einem Satz – kurz und prägnant. Bringe die Absicht des Benutzers zum Ausdruck, nicht seinen Feature-Wunsch.
- Beobachtungen, die dich zu dem Schluss gebracht haben, dass hier ein Problem besteht: Füge unbedingt Screenshots, Aufzeichnungen oder praktische Beispiele ein, um dem Leser Kontextinformationen zu bieten.
- Chancen zum Lösen des Problems: Verlinke zugehörige Epics, Aufgaben oder Feature-Anfragen in Jira Software bzw. deinem Tool zum Management des Team-Backlog. Hier ist der große Vorteil, dass du beim nächsten Öffnen deiner Jira-Aufgabe sofort Kontext vom Interview erhältst, der den Aufbau eines gemeinsamen Verständnisses unterstützt.
Möchtest du es einmal selbst ausprobieren? Registriere dich, oder logge dich bei Confluence ein. >>
Der Interviewbericht sollte größtenteils aus kurzen Aussagen mit dem Inhalt "Beobachtungen → Probleme → Chancen" bestehen. Wir finden dieses Framework äußerst hilfreich, um klar und deutlich auszudrücken, was du erfahren hast, und um aus den Interviews Aktionen abzuleiten.
Kundeninterviews sind für jeden Produktmanager eine der wertvollsten Ressourcen, wenn er sich die Zeit nimmt, Probleme nicht nur festzustellen, sondern auch Chancen für das Produkt daraus abzuleiten. Diese Erkenntnisse in einem konsistenten und kohärenten Medium mit dem Team zu teilen, ist der letzte Schritt vor der Umsetzung des Interviewfeedbacks in Aktionen.